Resistenzen aufgrund des unnötigen Einsatzes von Antibiotika

Hygieneausbildung Antibiotika-Resistenzen

Eine Ursache der Entstehung von Antibiotikaresistenz ist die häufige Verschreibung von Antibiotika bereits bei harmlosen Erkrankungen. Eine Studie der Techniker Krankenkasse belegt, dass 2016 jeder Dritte zur Behandlung seiner Erkältung ein Antibiotikum erhielt.

Was insoweit leicht merkwürdig erscheint, weil Viren und nicht Bakterien die Hauptverantwortlichen für grippale Infekte sind. Bei Lungenentzündungen liegen dafür Bakterien als Verursacher weit vorn. Doch Grippe bleibt einfach Grippe.

Auch wenn sich viele männliche Patienten so aufführen, als wär’s mindestens eine doppelseitige Lungenentzündung. (Hier spreche ich aus Erfahrung jüngster eigener oskarreifer Darbietungen. Was tut man nicht alles, um angemessen bedauert zu werden.)

Virenbekämpfung = Virostatika, Bakterienbekämpfung = Antibiotika – oder habe ich da was verschlafen in meiner Ausbildung? Vielleicht ist hier auch die Ursache für die gehäufte Verschreibung zu finden – in der fordernden Erwartungshaltung des schniefenden und stark missgelaunten Patienten.

Wir machen zwischen einem Defekt am Auto und einer Erkrankung mental keinen Unterschied mehr. Der richtige Spezialist muss ran, der hat den Schaden zu beheben, und zwar möglichst umgehend. Wer hat schon Zeit für eine Erkältung? Und Antibiotika, das war doch das Zeug, was gegen alles hilft. Also, Herr Doktor, gleich rauf damit auf den Rezeptblock!

Wohlgemerkt, das ist reine Spekulation meinerseits, ohne die Unterstützung irgendwelcher valider Fakten. Doch ich kann mir einfach nicht so ganz vorstellen, dass dermaßen viele Ärzte denselben offenkundigen Fehler begehen. An dieser Stelle deshalb etwas Positives: 2008 wurden noch in 38 % der Erkältungsfälle Antibiotika verschrieben. Zumindest diese Zahl ist glücklich rückläufig.

Dass dieser eingeschlagene Weg zu Erfolgen führt, beweisen die sehr niedrigen Resistenz-Raten von MRSA und VRE in den skandinavischen Staaten (1 Prozent) und den Niederlanden (ca. 3 Prozent). Dort gilt eine konsequente Restriktionspolitik, soll heißen, beschränkter Gebrauch von Antibiotika in Kliniken und Praxen. Zusätzlich wird in den Niederlanden jeder Patient aus dem Ausland oder aus einer MRSA-Klinik zuerst gescreent und gleichzeitig isoliert. Denn eine Keim-Kolonisierung kann natürlich schon vor der Aufnahme geschehen sein. Erst wenn die Abstriche negativ sind, darf der Patient auf die Station (»Search and Destroy-Politik«). Dort gibt’s übrigens bereits in jeder Klinik einen Hygienefacharzt.

Um hier eine eindeutige Marschrichtung vorzugeben, legte der schon in einem vorigen Artikel von mir gelobte Gesundheitsminister Hermann Gröhe 2015 einen 10-Punkte-Plan zur Vermeidung behandlungsassoziierter Infektionen und Antibiotika-Resistenzen vor, der u. a. ebenfalls verpflichtend Screening und Isolation bis zum eindeutigen Besiedlungsausschluss verlangt. Die Einhaltung des Ganzen argusäugig überwacht von den Bundesländern. Gleichfalls als verpflichtend, vorerst jedoch nur angeregt, werden ambulante Screenings bei Risikopatienten vor planbaren Krankenhausaufenthalten. Die gesetzliche Grundlage dafür ist, scheint’s, schon vorhanden.

Wesentlicher allerdings finde ich, dass der 10-Punkte-Plan mit Tellerranddenken aufräumen sowie Bund, Bundesländer, Krankenhäuser und deren Träger zur Zusammenarbeit an einen Tisch bringen und die Problematik behandlungsassoziierter Infektionen und Antibiotika-Resistenzen national als auch international angehen will.

Fortsetzung »Hygieneweiterbildung … gähn« folgt. Ihr Kaj Nagorsnik

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