Der Köder-Effekt zielt auf Täuschung
Der Köder-Effekt, auch Decoy-Effekt oder Täuschungseffekt (synonyme Begriffe), beschreibt ein psychologisches Phänomen, mit dem sich Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen manipulieren lassen.
Einfach erklärt: Um den Preis für ein bestimmtes Angebot attraktiver zu machen, benötigen Sie ein Alternativangebot – den Köder (englisch: decoy).
Jeder möchte gerne ein Schnäppchen machen. Aber nicht alles, was so heißt, ist es auch. Kurz: Wir lassen uns täuschen – vom sogenannten Decoy-Effekt. Dahinter steckt ein mächtiger psychologischer Köder-Trick, der im Marketing und in der Verkaufspsychologie schon 1000-fach genutzt wird. Durch den Täuschungseffekt werden Kaufentscheidungen beeinflusst und sogar Wahlen. In der Psychologie und im Marketing gilt der falsche Köder oder Lockvogel als enorme Entscheidungshilfe – bei Kaufentscheidungen ebenso wie bei politischen Wahlen. So widersinnig es klingt, es funktioniert: Wenn Sie sich nicht zwischen zwei Alternativen entscheiden können, brauchen Sie eine dritte!
Als Entdecker des Phänomens gilt der amerikanische Marketing-Professor Joel Huber. Er befragte 1982 seine Probanden, ob sie lieber in einem entfernten 5-Sterne-Restaurant speisen wollten oder in einem nahe gelegenen 3-Sterne-Restaurant. Eine schwere Wahl. Deshalb bot Huber eine dritte Alternative an: Sie könnten auch in einem 4-Sterne-Restaurant speisen, das aber noch weiter weg liege … Eine klassische Nicht-Information, weil sie nichts über die Qualität des Essens in allen drei Restaurants aussagt. Aber es half! Die Teilnehmer entschieden sich prompt und ganz leicht für das 5-Sterne-Restaurant. Der Köder formte eine Art Maßstab und Messkrücke, anhand derer sich die beiden anderen Optionen leichter vergleichen ließen. Im konkreten Fall waren 5 Sterne besser als 3 oder 4 Sterne, der vermeintliche Vorteil des nahegelegenen 3-Sterne-Lokals verflüchtigte sich.
Tatsächlich treffen wir Kaufentscheidungen zu rund 90 Prozent unbewusst. Dabei werden wir regelmäßig Opfer sogenannter Wahrnehmungsfehler (Fachbegriff: Bias) und kognitiver Verzerrungen. Der Ankereffekt, Framing-Effekt oder Zero-Price-Effekt sind nur einige Beispiele dafür.
Der Decoy-Effekt ist deshalb so wirkungsvoll, weil er unser Belohnungssystem erfolgreich anspricht. Das zusätzliche dritte (asymmetrisch dominierende) Angebot soll eigentlich gar nicht verkauft werden. Trotzdem beeinflusst es uns, weil es das Ausgangsprodukt attraktiver macht und uns glauben lässt, ein Schnäppchen zu machen. Zur Anwendung kommt der Decoy-Effekt in zahllosen Online-Shops und Vergleichsportalen. Und in allen Fällen sorgt die gezielte Täuschung für mehr Umsatz. Das Gemeine daran: Obwohl der Decoy-Effekt leicht zu durchschauen ist, fallen wir regelmäßig darauf herein. Eben weil wir so viele Entscheidungen mehrheitlich unbewusst treffen.
Wenn Sie das nächste Mal vor der Wahl einer ökonomisch scheinbar unsinnigen Alternative stehen, erinnern Sie sich bitte an diesen Artikel und den Täuschungseffekt. Vermutlich haben Sie es gerade mit einem ziemlich ausgebufften Verkäufer zu tun. Dessen Köder und Lockvogel-Angebot entgehen Sie nur, wenn Sie zuvor klare Prioritäten setzen, was Sie kaufen wollen – und sich daran halten.
Oder ganz pragmatisch: Wenn Sie selbst vor einer schweren Entscheidung mit zwei Alternativen stehen, denken Sie sich einfach eine fiktive dritte dazu. Die meisten Menschen sehen danach sofort klarer, was sie eigentlich wollen. Das funktioniert übrigens auch bei der Berufswahl und in der Liebe …
Ihr Dr. Peter Schmidke
07.05.2025, Rubrik: Bemerkungen, GBB-Aktuell, Kommentar schreiben,