Fehler und Fehlerkultur

Fehler zu akzeptieren ist schwer. Wer gibt schon gerne Versagen zu. Missgeschicke passieren jedoch immer und überall. Viel zu oft werden sie aber vertuscht und verteufelt. Fehler zu akzeptieren ist schwer.

Wer gibt schon gerne Versagen zu. Missgeschicke passieren jedoch immer und überall. Viel zu oft werden sie aber vertuscht und verteufelt.

Dabei ist eine positive Fehlerkultur maßgeblich für den persönlichen sowie unternehmerischen Erfolg. Auch in Betrieben werden Fehler gemacht, die für Lernprozesse und Lerneffekte bedeutsam sind. Fehler sind Fehler und insofern unerwünscht, aber sie sind praktisch unvermeidbar. Deshalb kann es nicht NUR um die Vermeidung von Fehlern gehen, es muss auch eine Strategie des Umgangs mit Fehlern entwickelt werden. Die Beschäftigten müssen eine Vielzahl von Handlungsalternativen (und deren Nebeneffekte) erkennen und bewerten, ehe sie eine Entscheidung treffen. Sie folgen heute oft nicht mehr vorgegebenen Arbeitsschritten, sondern sie sind auf ihre individuellen Kompetenzen angewiesen. Je mehr die Beschäftigten jedoch selbst für die konkrete Ausgestaltung von Arbeitsprozessen und deren Veränderung zuständig sind, desto mehr steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler geschehen, mit denen wiederum im Arbeitsprozess umgegangen werden muss.

Das neue Paradigma moderner Organisationskonzepte lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Beschäftigte verfügen zu einem gewissen Grad über Autonomie und Kontrolle über die eigenen Arbeitsaufgaben und -methoden. Das heißt, die Arbeitsaufgaben sind so strukturiert, dass den Beschäftigten Entscheidungen über den Arbeitsprozess übertragen werden.
  • Von den Beschäftigten wird erwartet, dass sie sich in Projektgruppen einbinden, in deren Rahmen Problemlösungen erarbeitet werden. Zudem sollen sie sich an der Verbesserung betriebsinterner Abläufe beteiligen, insbesondere, sobald Fehler zu Problemen führen. D. h., Beschäftigte müssen über professionelle Expertise verfügen, damit sie Probleme identifizieren und Lösungen kommunizieren können.
  • Die Arbeit wird sowohl in selbstgesteuerten, in den Produktionsprozess integrierten Teams organisiert, als auch in temporären, aus den regulären Abläufen herausgenommenen Projektgruppen kontrolliert.
  • Von den Beschäftigten wird erwartet, dass sie aus betrieblichen Vorkommnissen und insbesondere aus Fehlern lernen.

Aus diesem Paradigma ergibt sich die große Bedeutung, die einem lernförderlichen Umgang mit Fehlern sowie der Entwicklung einer lernförderlichen Fehlerkultur im Unternehmen zukommt. Bei einer genaueren Betrachtung stellt sich aber heraus, dass ein grundlegendes Problem der Fehlerthematik darin besteht zu klären, was genau ein Fehler ist.

Auf den ersten Blick erscheint die Thematisierung von Fehlern als eine Auseinandersetzung mit dem scheinbar klar strukturierten Sachverhalt, dass »etwas falsch gelaufen« sei. Gerade im Kontext sozialer Gebilde – wie z. B. Betriebe – ist die Festlegung darauf, was ein Fehler ist, ein kompliziertes, von impliziten Definitionsprozessen bestimmtes Unterfangen.

Bei der Definition von Fehlern sind folgende Ebenen zu berücksichtigen:

  • Die inhaltliche Ebene: Was wird als Fehler bezeichnet?
    Fehler als ein von einer oder mehreren Normen abweichender Sachverhalt oder Prozess.
  • Die normative Ebene: Weswegen wird etwas als Fehler bezeichnet?
    Wenn etwas als Fehler bezeichnet wird, dann liegt gemäß der o. g. Definition eine Abweichung von etwas als normal Erachtetem oder als (Qualitäts-)Norm Gesetztem vor.
  • Die personale Ebene: Wer bezeichnet etwas als Fehler?
    Welche Konsequenzen folgen daraus? Wenn eine außenstehende Person das Handeln einer anderen Person als fehlerhaft bewertet, kann dies aufgrund transparenter wie auch intransparenter Bewertungsmaßstäbe geschehen. Selbst transparente Kriterien können bei wenig präziser Ausformulierung Deutungsspielraum eröffnen und die definitionsschwächere Person benachteiligen.
  • Die aktionale Ebene: Was führte zu einem Fehler und welche Konsequenzen folgen daraus?
    Auf dieser Ebene sind zwei Gesichtspunkte für die Fehlerbeschreibung von Bedeutung, nämlich zum einen die Frage, wodurch ein Fehler zustande kommt und zum anderen die Frage, welche Folgen aus dem Fehler erwachsen.

Der Begriff der Fehlerkultur bezieht sich einerseits auf die Bedeutung, die Fehlern in der täglichen Arbeitspraxis zugesprochen wird, und andererseits auf die Konsequenzen, die sich nach aufgetretenen Fehlern einstellen.

Obgleich das Lernen aus Fehlern in verschiedenen lernpsychologischen Ansätzen impliziert wird (z. B. Lernen durch Versuch und Irrtum oder Problemlösen), erfährt es in den Ansätzen und Forschungsarbeiten aus der Pädagogischen Psychologie nur wenig Beachtung. Zentrale Voraussetzungen des Lernens aus Fehlern sind ein Unterbruch, Betroffenheit und Reflexion, die in der Theorie negativen Wissens zu einem Lernen aus Fehlern führen. Mit Unterbruch ist ein Innehalten der Tätigkeit gemeint, das der kognitiven Erfassung einer Normabweichung Raum gibt. Betroffenheit führt dazu, dass die handelnde Person sich als Ursache der Normabweichung begreift, um schließlich in Reflexion über die Ursachen des Fehlers und mögliche Handlungsalternativen einzutreten. Dadurch wird Wissen aufgebaut, wie und warum etwas nicht funktioniert, wie es besser gemacht werden kann.

Der theoretische Rahmen an Voraussetzungen für Lernen aus Fehlern lässt sich in vier Kriterien eines lernförderlichen Umgangs mit Fehlern zusammenfassen:

  • Es muss klar sein und Übereinstimmung zwischen allen Beteiligten herrschen, was als Fehler bezeichnet wird.
  • Es muss klar sein und Übereinstimmung herrschen, weswegen etwas als Fehler bezeichnet wird. Dabei wirkt Partizipation an der Festlegung der Bewertungskriterien positiv auf die Motivation, aus Fehlern zu lernen.
  • Es bedarf der Fehleranalyse und des Feedbacks an die handelnde Person und es muss eine positive Fehlerkultur vorherrschen.

Positive Fehlerkultur:

  • Nehmen Sie Ihre Fehler zur Kenntnis und übernehmen Sie die Verantwortung dafür.
  • Werten Sie jedoch nur diesen Fehler – nicht Ihre Person – als negativ und überlegen Sie, wie Sie diesen Fehler korrigieren und in Zukunft vermeiden können.
  • Wenn Sie sich im Verlauf des Tages bei Selbstvorwürfen ertappen, dann erinnern Sie sich daran: »Ich bin bereit, die Situation zu akzeptieren, wie sie ist. Ich habe mein Bestes gegeben.« Sie hatten ja nicht die Absicht, einen Fehler zu produzieren. Doch es gilt immer das Prinzip, sich seinen Fehler einzugestehen. Wenn wir ihn verleugnen oder die Schuld auf andere schieben, können wir ihn nicht korrigieren.

Akzeptieren Sie Ihre Fehler. Wir alle lernen bis zum Zeitpunkt unseres Todes und werden doch niemals fehlerfrei oder perfekt sein. Wir können und müssen aus unseren Fehlern lernen und uns darum bemühen, denselben Fehler nicht zweimal zu machen.

UND: Sind wir doch mal ehrlich: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen absichtlich Mist bauen? Fehler passieren (im Sinne von unbewusst, nicht gewollt) – das kann auch der beste Chef der Welt nicht verhindern.

Ihr Dr. Peter Schnmidke

 

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