467 Millionen Euro … fürs Händewaschen?

Naja, eigentlich für ein Sonderprogramm zur Förderung der Krankenhaushygiene, Schwerpunkt Bekämpfung nosokomialer Infektionen und multiresistenter Keime.

Primär soll dieses Förderprogramm der Hygienesituation in Krankenhäusern auf die Sprünge helfen. Und zwar mittels Fort- und Weiterbildung von Ärzten wie Pflegekräften und der Einstellung zusätzlichen Hygienepersonals bzw. der Aufstockung von Teilzeitstellen. Ab 400 Betten soll’s z. B. einen hauptamtlichen »Hygieniker« geben.

Und in jedem Krankenhaus mindestens einen hygienebeauftragten Arzt. Letzteres bei lediglich 10 % deutscher Allgemeinkliniken (Stand 2015) mit einem Hygienearzt durchaus sinnfällig. So zumindest Absicht inklusive Geldsegen der Bundesregierung auf Initiative des Gesundheitsministers Hermann Gröhe hin, wofür er zweifelsohne frenetischen Beifall verdient. Es sei den Kliniken und somit ihren gefährdeten Patienten ja auch neidlos gegönnt. Obwohl ich mich schon frage, wieso ausgerechnet Krankenhäuser erst auf einen kräftigen finanziellen Anschubser hin ihre Personaldecke nach einem wohlvertrauten Problem strecken.

Da ich bereits am Fragen bin, gleich eine zweite. Muss für diese jedoch etwas verbalen Anlauf nehmen.

Mit dem Gesetz zur Änderung des bisherigen Infektionsschutzgesetzes von 2011 stehen Krankenhäuser in der Pflicht, personelle wie organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen bis spätestens Ende 2019 zu schaffen. Anders formuliert wurden sie per Gesetz dazu verdonnert, die diesbezüglichen Empfehlungen von KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) und ART (Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie) nicht allein zur Kenntnis, sondern sich gefälligst auch zu Herzen zu nehmen. Oder zur Brieftasche, die ungefähr an der gleichen Stelle sitzt, aber dazu etwas später.

Für die Erfüllung besagter personeller Mindestanforderungen rief 2013 die Bundesregierung das Hygieneförderprogramm ins Leben, ausgestattet mit einem ersten Finanzpaket von 365 Millionen € für den Zeitraum von 2013 bis 2016. Mit dem KHSG (Krankenhausstrukturgesetz) von 2015 wurde das Förderprogramm bis 2019 verlängert sowie finanziell noch einmal um geschätzte 102 Millionen aufgestockt. Damit wären wir summarisch bei dem oben erwähnten Fördervolumen von 467 Millionen €.

Wie kommt der angehäufte Segen unters Volk?

Das läuft in der Praxis folgendermaßen ab: Die gesetzlichen Krankenkassen und Krankenhäuser vereinbaren jährlich das Fördervolumen für Hygienepersonal. Der Eigenfinanzierungsanteil beträgt 10 % der zusätzlichen Personalkosten. Den Krankenhäusern obliegt die gesetzlich geregelte Nachweispflicht über die tatsächliche Verwendung der Fördermittel für Hygienepersonal. Normal, man will schließlich wissen, wo die Steuergelder verbleiben. Deshalb für den Steuerzahler nachzulesen im jährlichen Bericht des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung des Hygienesonderprogrammes. Zwischenzeitlich gibt’s derer drei, denn 2013 ist schon etwas her. Mal rasch in den aktuellsten über die Entwicklung in den Förderjahren 2013 bis 2016 reingesehen:

»Die vorliegenden Datenmeldungen belegen die weiterhin rege Inanspruchnahme des Hygienesonderprogramms durch die Krankenhäuser« stellt der Bericht im Fazit fest. In Zahlen übersetzt: 1275 Krankenhäuser hielten programmgemäß die Hand auf. So weit, so nachvollziehbar. Ausgeben wurden:

  • 154,1 Millionen € für die Einstellung/Aufstockung Teilzeit qualifizierten Hygienepersonals (69 %)
  • 33,2 Millionen € für Fort- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegefachkräften (15 %)
  • 13,9 Millionen € kosteten externe Beratungsleistungen durch qualifizierte Krankenhaushygieniker (6 %)
  • 23,5 Millionen € liefen für unspezifische Ausgaben auf (10 %)

Bislang wurden demnach insgesamt 224,6 Millionen € in Anspruch genommen. Gut zu wissen. Nun lesen wir weiter:

»Inwiefern Hygienepersonalstellen aus den Vereinbarungen erwachsen sind und Fördermittel für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bzw. externe Beratungsleistungen tatsächlich in Anspruch genommen wurden, kann erst auf Basis von Jahresabschlusstestaten beurteilt werden.«

Aha, das wäre also der Knackpunkt mit dem von den Krankenhäusern zu erbringenden Nachweis über die sachgemäße Verwendung der angeforderten Fördergelder. Was stellt der Bericht dazu fest?

»Die vorliegenden Bestätigungen aus den Jahresabschlussprüfungen belegen, dass die Vereinbarungen zunehmend in konkrete Maßnahmen in den teilnehmenden Krankenhäusern münden.« Schön, schön. Und?

»Auf der aktuellen Datenbasis kann noch nicht umfassend beurteilt werden, inwiefern tatsächlich Auswirkungen auf den Bestand an Hygienepersonal und die Hygienequalität in Krankenhäusern erreicht werden konnten.«

Ups, klingt irgendwie nicht so überzeugend. Jedoch immer noch besser als die Aussage im Vorgängerbericht, wo noch von gerade mal einem umgesetzten Drittel der vereinbarten Hygienefachkraftstellen und hygienebeauftragte Ärzte die Rede ist. 2015 beschäftigte lediglich die Hälfte der Allgemeinkrankenhäuser Hygienefachkräfte und es gab exakt 377 Ärzte mit einer abgeschlossenen Weiterbildung für Hygiene und Umweltmedizin oder für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie.

Sei es, wie es sei – die Dinge werden angepackt, kommen in Bewegung, was die Hauptsache ist.

Doch so unbenommen löblich das Programm sein mag, mir fehlt daran immer noch etwas. Hier kommt nämlich endlich meine zweite Frage: Wo bitte ist die finanzielle Förderung für die Hygiene in ambulanten Pflegediensten und Altenpflegeheimen zu finden?

Ach so, ganz unten; MRSA-Sanierungsbehandlung soll künftig von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt werden. Voraussetzung: eine gesicherte Diagnose. Wobei »künftig« sich auf die Ergebnisse einer Evaluation eines Beschlusses der G-Ba (gemeinsamer Bundesausschuss der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen) von 2014 bezieht und deshalb wohl »zukünftig« passender wäre. Sitzt in dem Beschlussgremium eigentlich jemand aus der ambulanten Pflege?

Noch etwas tiefer steht als weiterer hilfreicher Hinweis der schlichte Verweis auf geltendes Recht:

»Sofern in Rehabilitationseinrichtungen vergleichbare medizinische Leistungen wie in Krankenhäusern durchgeführt werden, ist von diesen Einrichtungen ebenfalls sicherzustellen, dass die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und eine Weiterverbreitung zu vermeiden (§ 23 IfSG).« Fertig, Punkt. Heißt nach meiner Übersetzung, die Altenheime und ambulanten Pflegedienste haben’s bitteschön alleine hinzukriegen. Hm, eigentlich keine unbillige Forderung, auch wenn sich für mich hier eine gewisse Diskrepanz zu den finanzgepolsterten Anstrengungen seitens der Klinikhygiene auftut.

Obwohl, so gänzlich alleine nun auch wieder nicht.2008 wurde zur Steigerung und Förderung der Akzeptanz des Händedesinfizierens bezeichnenderweise die »Aktion Saubere Hände« gestartet. Das Bundesgesundheitsministerium bezeichnet nämlich auf seiner Website die ausreichende Desinfektion der Hände als »wichtige und einfache Maßnahme zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen«.

Fortsetzung folgt. Ihr Kaj Nagorsnik

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